Aus für Corona-Partys in New York

Corona, das Party-Bier – bis Partys verboten wurden. (Foto: Yianni Mathioudakis)

Wir Schweizerinnen und Schweizer waren in New York immer stolz darauf, Unwissende mit der Schweizer Spezialität der drei Küsse zu überraschen. Wir hauchen nicht nur einen zögerlichen Kuss auf die Backe, wie das Amerikaner tun. Uns reichen auch die in Frankreich üblichen zwei Küsse nicht. Nein, drei Schmatzer müssen es sein, asymmetrisch auf zwei Wangen verteilt. Wird der Überfall als freudig empfunden, versprechen manche Belehrte, Bekehrte zu werden.

Den virusmässigen Kipppunkt hat Amerikas Metropole am Mittwoch überschritten. Das Signal dafür gab die Weltgesundheitsorganisation mit dem überfälligen Befund, Covid-19 sei jetzt eine Pandemie. Am gleichen Tag verzeichneten die Börsen zum ersten Mal seit elf Jahren auf einen «bear market», sprich: einen Abschwung der Aktienwerte von 20 Prozent vom Höchststand. Und dann wurde erst noch mitgeteilt, dass die für das Wochenende geplante St.-Patrick’s-Parade zum ersten Mal seit über 200 Jahren abgesagt sei.

Unserer Fasnacht erging es gleich, können Basler leidgeprüft lamentieren. So kreativ wie die «drey scheenschte Dääg» ist die Parade zu Ehren Irlands zwar nicht. Aber mit 150’000 Marschierenden durch die von zwei Millionen Gaffern gesäumte Fifth Avenue hat St. Patrick auch einiges für sich. Dazu gehört die Rechtfertigung für haltlose Besäufnisse, auf die jetzt verzichtet werden muss.


Inzwischen beginnt sich die Freudlosigkeit mit Panik zu paaren.


Ende Februar, als die Epidemie erst im fernen China wütete, war die Stimmung noch gehoben. Freunde riefen mit new-yorkerischem Sarkasmus zum Tanz auf dem Vulkan: Sie luden unter dem Zeichen des mexikanischen Biers zu einer Corona-Party ein. Die kam dann aber nie zustande.

Inzwischen beginnt sich die Freudlosigkeit mit Panik zu paaren. In den Supermärkten herrscht nervöse Hektik. Man deckt sich mit Lebensnotwendigem ein, als gäbe es in den winzigen Apartments dafür Lagerraum.

In den vielen Drugstores, die sich trotz Ladensterben verbreitet haben wie – ja, wie Viren – gibt es keinen Alkohol mehr zu kaufen und keine Desinfektionstüchlein. Eine Drogerie in Midtown verlangte für einen Liter Desinfektionsgel sage und schreibe 79 Dollar.

Der skrupellos geschäftstüchtige Drogist wurde zwar gebüsst. Doch keine Geldstrafe hilft gegen Knappheit, und die steht New York auf dramatische Weise bevor. Auch in der Millionenstadt werden die Notfallbetten sofort alle belegt sein, sollte das Virus stadtweit wüten.

Zur Gemütsberuhigung zog ich mir am Mittwoch zum ersten Mal eine der schwarzen Gesichtsmasken über, die wir schon früh online gekauft hatten. Empörte Blicke zog ich keine auf mich. Die wären mir ohnehin egal gewesen. Das Gesicht zu verstecken, war für mich so etwas wie eine Ersatzfasnacht: gar nicht lustig, vor allem traurig.


Erschienen am 14. März 2020 in der Basler Zeitung.

1'355 Kommentare