Diese Regel gilt strikt: Auf den Hot Dog gehört kein Ketchup

Die Heimat des Hot Dog ist Nathan’s in Coney Island (Foto: Martin Suter)

Die Freiheit, die viel beschworene, ist in New York nicht ganz grenzenlos. Zwar dreht hier niemand den Kopf, wenn auf dem Trottoir aufgetakelte Models daherstöckeln, Obdachlose in Abfallkörben wühlen oder kreischende Schülerinnen das Trommelfell attackieren. Man will zum Gewusel gehören und lässt sich nichts anmerken.

Die Toleranz hört aber auf, wenn es ums Essen geht. Die Stadt, deren Einwohner zu 37 Prozent im Ausland geboren sind, hütet gastronomische Sitten, als hänge ihre Identität von ihnen ab. Das hat Bürgermeister Bill de Blasio schon mehrfach zu spüren gekriegt. Kürzlich entfachte er einen Proteststurm, als er twitterte, er möge seine Bagels gern getoastet.

Bagels – GETOASTET? De Blasio sei von Sinnen, wetterten Wächter über New Yorks berühmte Backware. Ein richtiger Bagel ist knusprig genug – auch ohne Röstung, deklarierten sie. In den Toaster stecke man Bagels frühestens dann, wenn sie über Nacht weich geworden sind.

Kleinlaut löschte de Blasio den Tweet und ersetzte ihn durch einen, in dem das Wort «toasted» nicht mehr vorkam.

Der als entscheidungsschwach geltende «Mayor» hatte nicht das Standvermögen der ebenso linken Aktivistin Cynthia Nixon: Die aus «Sex and the City» bekannte Schauspielerin begeht weiterhin die kulinarische Sünde, Zimt- und-Rosinen-Bagels mit Räucherlachs zu belegen.


Das sagt uns einiges über einen New Yorker, der sein Steak in Ketchup tränkt: Donald Trump


Dem Gelächter der ganzen Stadt gab sich de Blasio preis, als er einmal eine Pizza mit Messer und Gabel zerschnitt. Im schnellen New York wird Fast Food wenn immer möglich von Hand gegessen. Von dieser Regel weicht nur ab, wer höhnische Blicke aushalten kann. Das passiert mir manchmal, denn ich habe mich auch nach vielen Jahren in Amerika nicht ganz ans Essen aus der Hand gewöhnt.

Bei der New Yorker Pizza, die in köstlicher Qualität vielerorts für einen Dollar zu haben ist, beherrsche ich inzwischen die Technik: Man hält die Kruste mit den Fingern einer Hand, knickt sie zusammen und verschlingt das Stück von der Spitze her, bevor der Teigboden erschlafft nach unten sinkt. Auf keinen Fall, erklären Street- Food-Puristen, darf man das Fett mit der Papierserviette wegtupfen.

Hamburger bereiten mir Mühe, vor allem wenn sie mit Tomaten, Speck, Käse, Zwiebeln und Salat hochgestapelt sind wie Wolkenkratzer. Ich bin keine Schlange, die ihren Kiefer aushängen kann. Und wie lange muss ich mir die linke Hand mit Ketchup bekleckern lassen, bevor der Burger abgearbeitet ist?

Ketchup ist überhaupt eine Zutat, mit der man in New York aufpassen muss.

Auf dem Burger: ja; auf dem Hot Dog: um Himmels willen, nie! Heisse Würstchen im halbierten Brötchen ertragen hier nur Senf und süss-saures Kraut. Ketchup sei Zuckerzeug, sagt der Besitzer von Katz, dem berühmten Delicatessen an der Houston Street. «Über dem Alter von fünf Jahren ist Ketchup auf dem Frankfurter nicht mehr akzeptabel.»

Das sagt uns einiges über einen New Yorker, der sein Steak am liebsten durchgegart isst und in Ketchup tränkt. Sein Name: Donald Trump.


Erschienen am 15. Februar 2020 in der Basler Zeitung.

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