Namensmühen in der Nummernstadt New York

Fans von David Bowie klebten das Schild am Eingang einer Subway-Station zu Ehren des Popstars um. (Foto: EV Grieve)

David Bowie erhält seine eigene Strasse – in Paris! Zu Ehren des britischen Rockstars wird im 13. Arrondissement bald eine neue Strasse den Namen «Rue David Bowie» tragen. Der Bürgermeister des Stadtteils ist ein grosser Fan.

In New York, wo Bowie bis zu seinem Tod vor vier Jahren fast ein Vierteljahrhundert lang lebte, gibt es keinen Bowie Boulevard, nicht einmal einen Bowie Way. Im engen Umkreis seiner Wohnung an der Lafayette Street in SoHo versuchten Anhänger wiederholt, mit improvisierten Aktionen seiner zu gedenken. Unbeholfen pinselten sie 2016 auf einem Strassenschild «David» vor «Bowery». Als früherer Bewohner der einstigen Pennermeile und heutigen Trendstrasse fand ich das wenig originell.

Mehr Witz zeigten Bowie-Fans, die vor acht Tagen an dessen viertem Todestag die farbigen Buchstaben und Zahlen an der Subway-Haltestelle Broadway-Lafayette überklebten. Aus B, D, F, M und 6 wurde B, O, W, IE und 4. Das Wort «Station» ergänzten sie zu Bowies Albumtitel «Station to Station». Die wohlmeinenden Vandalen wollten mit dem temporären Tribut in der gehetzten Stadt dem Vergessen trotzen.


West 139. ehrt Billie Holiday, West 65. Leonard Bernstein, und die Bowery ehrt Joey Ramone.


Warum werden Touristen Bowie-Stadtwanderungen angeboten, während noch keine Strasse zusätzlich seinen Namen trägt? Die Hürde dafür wäre niedrig. Hundert Anwohnerunterschriften reichen für eine Eingabe, wenn der oder die Geehrte an einem spezifischen Block lebte und ein nennenswertes Vermächtnis hinterliess.

In der Stadt der nummerierten Strassen hängen bei fast 2000 Schildern mit Zahlen zusätzliche mit Namen. Geehrt werden heldenhaft gestorbene Polizisten und Feuerwehrleute, aber auch Prominente. An Musikstars erinnert in Manhattan zum Beispiel die West 77. Strasse; sie ist nach Miles Davis benannt. West 139. ehrt Billie Holiday, West 65. Leonard Bernstein, die Bowery Joey Ramone.

«Um Besucher nicht zu verwirren», sei das sekundäre Namensschild immer neben dem primären anzubringen, verlangt die Stadt. Eine vernünftige Regel, an die sich Politiker natürlich nicht halten. Deshalb sind in letzter Zeit einige informative Namen von Brücken und Tunnels verschwunden.

Früher wussten Autofahrer, dass der Brooklyn-Battery Tunnel unter dem East River Manhattans Südspitze mit Brooklyn verbindet. Der heutige Name, Hugh L. Carey Tunnel, sagt ihnen nichts, denn kein Mensch kennt New Yorks Gouverneur von 1975 bis 1982. Die Tappan Zee Bridge über den Hudson River, benannt nach den Tappan-Indianerstamm, heisst jetzt Mario M. Cuomo Bridge, weil der heutige Gouverneur Andrew Cuomo seinen Daddy ehren wollte. Ärgerlich ist der Verlust der Triborough Bridge, wie der vom Schweizer Othmar Ammann entworfene Brückenkomplex zwischen den drei «Boroughs» Manhattan, Queens und Brooklyn hiess. Der neue Name «RFK Bridge» erklärt nichts mehr; die Initialen stehen für den JFK-Bruder Robert und sind bloss Ausgeburt des Kennedy-Kults.

Die Politik scheint langsam in New Yorks Strassennamen vorzudringen. Das kann lustig werden. Engagierte wollen mit über 300 000 Unterschriften dem Abschnitt der 5. Avenue vor dem Trump Tower einen Zusatznamen geben, der dem Präsidenten sicher gefällt: Barack H. Obama Avenue.


Erschienen am 18. Januar 2020 in der Basler Zeitung.

704 Kommentare