Das New Yorker Kuriositätenkabinett ist um eine Attraktion ärmer

Playboy Donald Trump 2003 mit Models, rechts die heutige First Lady Melania. (Foto: Richard Corkery)

Bei schönem Wetter wählen wir für den Spaziergang zum Central Park gern die Fifth Avenue. New Yorks Prachtstrasse, die Manhattan zwischen Ost und West halbiert, hat breite Trottoirs und abwechslungsreiche Schaufenster. Man kommt zügig voran, ausser auf drei Blocks, wo Touristen den Wegverstopfen. Beim Empire State Building, vor der St. Patrick’s Cathedral und entlang des Rockefeller Center sind Slalomgänge durch dicht gedrängte Menschenmassen unumgänglich.

Letzten Sonntag war der Stau noch schlimmer weiter nördlich beim Trump Tower. Rund ein Dutzend sandgefüllte Schwerlaster säumten den Strassenrand neben Absperrungen, die den Raum für Fussgänger zusätzlich verengten. Polizeibusse entleerten Hundertschaften von Cops in die Strassen. «Er ist hier, er hält irgendwo eine Rede», antwortete ein gelangweilter Kameramann neben seinem Stativ auf die Frage nach dem Grund für den massiven Polizeieinsatz. Doch unter dem goldenen Schriftzug beim Eingang tat sich nichts.


Lauthals skandierten Demonstranten «Verräter» und «Lock him up» – buchtet ihn ein!


Die Post ging erst am Montag ab, als Trump im Madison Square Park als erster Präsident überhaupt New Yorks berühmte Veteranenparade abnahm. Hinter Fenstern klebten Anti- Trump-Schriftzüge wie «Impeach» und «Dump Trump». Lauthals skandierten Demonstranten «Verräter» und «Lock him up» – buchtet ihn ein!

Die meisten New Yorker hassen Trump mit glühender Inbrunst. Als letzten Monat sein offizieller Wegzug ins steuergünstige Florida bekannt wurde, war die offizielle und inoffizielle Reaktion «good riddance!» – endlich sind wir ihn los. Seine Geburtsstadt scheint zu vergessen, dass Trump während Jahrzehnten als Inbegriff eines New Yorkers galt: frech, angeberisch, ständig in den Schlagzeilen, nie beschämt und jederzeit bereit, seinen Reichtum zur Schau zu stellen.

Manche New Yorker lehnen den Präsidenten aus ideologischer Überzeugung ab. Nicht zuletzt dank vielen jungen Zuzügern ist die Stadt politisch markant nach links gerutscht. Die Einwohner stöhnen zwar über ihren progressiven Bürgermeister, doch kaum jemand erwägt, etwas anderes als die Demokratische Partei zu wählen.

Dass Donald Trump, der jahrelang den Demokraten Geld spendete, ins konservative Lager wechselte, wird ihm nicht verziehen. Ebenso wenig goutieren New Yorker seine harte Haltung gegen illegale Einwanderung, und sie rümpfen die Nase über seinen ordinären Stil und seine ungehobelte Sprache.

Bis vor wenigen Jahren drehte sich in Amerikas grösster Stadt alles ums Business. Damals lachte man noch über Trump. Er war eine rotblonde Attraktion im Kuriositätenkabinett örtlicher Hochstapler. Um die nationale Politik scherte sich niemand; die war und blieb in Washington. Doch das ist endgültig vorbei. Wie eine ansteckende Krankheit hat sich die politische Passion übers Land ausgebreitet. Diesem Virus kann nicht einmal New York widerstehen, auch nicht Donald Trump. Deshalb sitzt er im Weissen Haus. Und deshalb ist manchmal an der Fifth Avenue kein Durchkommen mehr.

Erschienen am 16. November in der Basler Zeitung.

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